Pressemitteilung

Praxen schlagen Alarm: Fachkräftemangel gefährdet ambulante Versorgung

PraxenKollaps Aktionslabel

Krisensitzung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Berufsverbände am 18. August in Berlin/Motto:  #PraxenKollaps - Praxis weg, Gesundheit weg!

 

Immer weniger Medizinerinnen und Mediziner sind bereit, sich als Kassenärztin oder Kassenarzt vor allem in ländlichen Gebieten, niederzulassen. 546 Niederlassungsmöglichkeiten für Hausärzte, 118,5 für Fachärzte und 7 für Psychotherapeuten gibt es nach den Berechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung aktuell in Niedersachsen.

 

Aber auch der Mangel an Medizinischen Fachangestellten (MFA) ist ein Problem. Nach einer Umfrage des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) haben rund 15 Prozent der Praxen in den vergangenen Monaten ihr Leistungsangebot aufgrund von Personalmangel verkürzt. Zwei Drittel der Praxen rechnen auch künftig mit substanziellen Personalproblemen. Die ZI-Umfrage offenbart auch Abwanderungstendenzen des Fachpersonals. So geben die befragten Ärztinnen und Ärzte an, dass 54 Prozent der in Praxen ausgebildeten Fachkräfte in andere Berufe oder in Kliniken abwandern. Ersatz zu finden, ist schwierig.

 

„Die Gründe für den Ärzte- und MFA-Mangel sind vielfältig: unzureichende Finanzierung, zunehmende Bürokratisierung und Eingriffe in die Praxisorganisation durch unausgereifte Digitalisierungsprojekte schrecken immer mehr Ärztinnen und Ärzte von einer Niederlassung ab. MFA beklagen niedrige Gehälter, eine zunehmende Arbeitsverdichtung und mangelnde Wertschätzung durch die Politik. Ich bin der Überzeugung, dass diese Entwicklung die Versorgung der Patientinnen und Patienten einschränken wird und mittelfristig zu einem Praxissterben führt. Ohne Ärztinnen und Ärzte und ohne Praxispersonal kann keine flächendeckende Versorgung gewährleistet werden“, sagt Thorsten Schmidt, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), heute in Hannover.

 

Immer weniger Ärztinnen und Ärzte wollen sich niederlassen. Arztpraxen bleiben ohne Nachfolge. Besonders die hausärztliche Versorgung ist betroffen. „Der Trend geht zur Anstellung und Beschäftigung in Teilzeit. Da angestellte Ärztinnen und Ärzte auf geregelte Arbeitszeiten Wert legen, nimmt die zur Verfügung stehende Arztzeit immer weiter ab, Ärztinnen und Ärzte werden immer älter. Der Altersdurchschnitt der niedersächsischen Ärztinnen und Ärzte liegt aktuell bei 54,6 Jahren. Ein großer Teil geht bald in den Ruhestand“, sagt der KVN-Vize.

 

Das Grundproblem sieht Schmidt in den gesetzgeberischen Rahmenbedingungen. Sie machten eine Niederlassung in Eigenverantwortung für Ärztinnen und Ärzte immer unattraktiver. Dazu komme noch die mangelnde Wertschätzung der ambulanten Medizin durch die Politik.

 

„Aber nicht nur Ärztinnen und Ärzte werden knapp. Viele freie Stellen von Medizinischen Fachangestellten bleiben in den Praxen unbesetzt. MFA wandern Richtung Kliniken ab, wo bessere Gehälter gezahlt werden können. Praxisteams erhalten von politischer Seite nicht die ihnen gebührende Wertschätzung. Das Berufsbild MFA hat sich in den vergangenen Jahren enorm gewandelt. Die Aufgaben und Arbeitsinhalte von Medizinischen Fachangestellten sind vielfältig, ihre Verantwortung ist hoch. Ob Digitalisierung, Qualitätsmanagement, Medizinprodukte-Aufbereitung, Hygiene-Anforderungen – in all diesen Feldern müssen die MFA fit sein. Diese Weiterentwicklung der Arbeitsinhalte muss auch finanziell honoriert werden. Ich wiederhole nachdrücklich die Forderungen nach höheren und kassenseitig auch refinanzierten Tarifgehältern.“

 

Die Forderungen der KVN:

 

  • Gesundheit muss von der Politik im Ganzen gedacht werden. Aktuell steht nur die stationäre Versorgung im Fokus der Politik.
  • Die ambulante Versorgung braucht eine ausreichende Finanzierung. Praxen brauchen Stabilität, Planbarkeit und Verlässlichkeit, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Nur so wird Niederlassung wieder attraktiv und Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber können mit angemessenen Gehältern im Wettbewerb um gutes Personal mit den Kliniken bestehen.
  • Die Entbudgetierung der ärztlichen Leistungen für alle Arztgruppen ist unerlässlich.
  • Die Kostensteigerungen im ambulanten Bereich müssen jährlich realistisch angepasst werden.
  • Eine Erhöhung der Medizinstudienplätze um zehn bis 15 Prozent ist notwendig.
  • Eine leistungsgerechte Bezahlung der Medizinischen Fachangestellten muss gewährleistet werden.

 

Hinweis:

Angesichts der dramatischen Lage der ambulanten Versorgung kommen Vertreter der Ärzte- und Psychotherapeuten aller Bundesländer am 18. August 2023 zu einer Krisensitzung in Berlin zusammen. Unter dem Motto #PraxenKollaps - Praxis weg, Gesundheit weg! wollen sie der Politik sowie den Bürgerinnen und Bürger deutlich machen, dass die flächendeckende ambulante Versorgung in Gefahr ist.